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Zur Beziehung von Raum und Inhalt nutzergenerierter geographischer Informationen
Während der vergangenen zehn Jahre vollzog sich eine signifikante Veränderung des World Wide Webs, das sich zum sogenannten „Web 2.0“ entwickelte. Das wesentlichste Merkmal dieser neuen Qualität des WWW ist die Beteiligung der Nutzer bei der Erstellung der Inhalte. Diese Entwicklung fördert das Entstehen von Nutzergemeinschaften, die kollaborativ in unterschiedlichsten Projekten Informationen sammeln und veröffentlichen. Prominente Beispiele für solche Projekte sind die Online-Enzyklopädie „Wikipedia“, die Microblogging-Plattform „Twitter“, die Foto-Plattform „Flickr“ und die Sammlung topographischer Informationen „OpenStreetMap“. Nutzergenerierte Inhalte, die direkt oder indirekt raumbezogen sind, können spezifischer als „nutzergenerierte geographische Informationen“ bezeichnet werden. Der Raumbezug dieser Informationen entsteht entweder direkt durch die Angabe räumlicher Koordinaten als Metainformationen oder er kann indirekt durch die Georeferenzierung von in den Informationen enthaltenen Toponymen oder Adressen hergestellt werden. Nutzergenerierte geographische Informationen haben für die Forschung den besonderen Vorteil, dass sie einerseits häufig gänzlich ohne oder nur mit geringen Kosten verfügbar gemacht werden können und andererseits eine Vielzahl von menschlichen Entscheidungen widerspiegeln, die mit dem Raum verknüpft sind. In der vorliegenden Dissertation wird die Beziehung von Raum und Inhalt nutzergenerierter geographischer Informationen aus zwei Perspektiven untersucht. Im ersten Teil der Arbeit steht die Frage im Vordergrund, für welchen Anteil an Informationen eine Beziehung zwischen Raum und Informationsinhalt in der Art besteht, dass die Informationen im Georaum lokalisierbar sind. In diesem Zusammenhang existiert seit den 1980er Jahren die unter Nutzern von geographischen Informationssystemen weit verbreitete These, dass 80% aller Informationen einen Raumbezug haben. Diese These dient im gesamten Spektrum der Branche als Marketinginstrument, ist jedoch nicht empirisch belegt. Diese Arbeit trägt dazu bei, die bestehende Forschungslücke zu schließen. Für die Prüfung dieser These, die in der Arbeit als „Raumbezugshypothese“ bezeichnet wird, werden zwei Ansätze vorgestellt. Der erste Ansatz basiert auf der Analyse eines möglichst repräsentativen Informationskorpus, wofür die deutsche Sprachversion der Wikipedia ausgewählt wird. Diese wird als Informationsnetzwerk modelliert, indem deren Artikel als Knoten und deren interne Querverweise als Kanten eines gerichteten Graphen betrachtet werden. Mit Hilfe dieses Netzwerkes ist es möglich eine abgestufte Definition des Raumbezuges von Informationen einzuführen, indem die Entfernung jedes Artikels innerhalb des Netzwerkes zum jeweils nächstgelegenen Artikel, der mit räumlichen Koordinaten gekennzeichnet ist, berechnet wird. Parallel dazu wird ein Befragungsansatz entwickelt, bei dem Probanden die Aufgabe haben, Informationen in die Kategorien „Direkter Raumbezug“, „Indirekter Raumbezug“ und „Kein Raumbezug“ einzuordnen. Die Synthese beider Ansätze führt zu einer empirisch begründeten Zahl für die „Raumbezugsthese“. Das Ergebnis ist, dass für das Untersuchungskorpus Wikipedia 27% der Informationen als direkt raumbezogenen und 30% der Informationen als indirekt raumbezogen kategorisiert werden können. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Forschungsfrage untersucht, inwiefern nutzergenerierte Informationen, die über mobile Geräte erzeugt werden, in Beziehung zu den Orten stehen, an denen sie veröffentlicht werden. Als Forschungskorpus dienen mobil verfasste Microblogging-Texte. Dies sind kurze Texte, die über das WWW veröffentlicht werden. Bei dieser Informationsart liegt im Gegensatz zu beispielsweise topographischen Information oder Fotobeschreibungen die Vermutung eines starken Zusammenhanges zwischen dem Inhalt der Informationen und deren Positionen nicht nahe. Die Analyse von Microblogging-Texten bietet unter anderem Potential für die Markt- und Meinungsforschung, die Beobachtung von Naturereignissen und menschlichen Aktivitäten sowie die Entscheidungsunterstützung in Katastrophenfällen. Aus der räumlichen Auswertung kann sich dabei ein Mehrwert ergeben, für einen Teil der Anwendungen ist die räumliche Auswertung sogar die notwendige Voraussetzung. Aus diesem Grund ist die Erforschung des Zusammenhanges der veröffentlichten Inhalte mit den Orten, an denen diese entstehen, von Interesse. In der Arbeit werden eine Methoden vorgestellt, mit deren Hilfe die Untersuchung dieser Korrelation am Beispiel von klassifizierten Points of Interest durchgeführt wird. Zu diesem Zweck werden die Texte mit Hilfe von manueller Klassifikation und maschineller Sprachverarbeitung entsprechend ihrer Relevanz für die getesteten Objektklassen klassifiziert. Anschließend wird geprüft, ob der Anteil der relevanten Texte in der Nähe von Objekten der getesteten Klassen überdurchschnittlich hoch ist. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass die Stärke der Raum-Inhalt-Korrelation von den getesteten Objektklassen abhängig ist. Während sich beispielsweise bei Bahnhöfen, Flughäfen und Restaurants eine deutliche Abhängigkeit des Anteils der relevanten Texte von der Entfernung zu den betreffenden Objekten zeigt, kann dies für andere Objektklassen, wie z.B. Kino oder Supermarkt nicht bestätigt werden. Da frühere Forschungsarbeiten bei der Analyse im kleinmaßstäbigen Bereich eine Korrelation der Informationsinhalte mit deren Entstehungsorten feststellten, kann geschlussfolgert werden, dass der Zusammenhang zwischen Raum und Inhalt bei Microblogging-Texten sowohl vom Maßstab als auch vom Thema abhängig ist.